Bitte schauen Sie, ob Sie Endometriose finden

Anne fühlt sich seit einiger Zeit sehr unwohl. Sie spürt, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmt. Bei einer Routinekontrolle stellt sich heraus, dass Anne schwanger ist. Da sich der Verdacht einer Eileiterschwangerschaft schnell verhärtet, wird sie umgehend operiert. Schon auf dem OP-Tisch, bittet Anne die Ärztin noch kurz vorher: „Bitte schauen Sie, ob Sie Endometriose finden.“

Anne erhielt ihre Diagnose erst vor wenigen Monaten – durch Zufall. Anne ist 30 Jahre und wohnt in der Nähe von Göttingen. Sie arbeitet als PTA in einer Apotheke und hat sich schon immer für die Erkrankungen des menschlichen Körpers interessiert. Zusammen mit ihrem Freund lebt sie in einer süßen Dachgeschosswohnung, sie werden dieses Jahr heiraten. Wir haben Anne gefragt, wie ihr Weg und ihre Erfahrungen bis zur Diagnose waren und wie sie heute mit der Diagnose umgeht. Wir danken dir, liebe Anne, dass du dir die Zeit genommen hast, deine Geschichte mit uns zu teilen, um so zur Aufklärung und Enttabuisierung von Endometriose beizutragen.

Wann hast du die Diagnose erhalten?

Anne: Ich habe die Diagnose tatsächlich erst vor ein paar Monaten durch Zufall erhalten. Ich wollte bei einer Routine-Untersuchung das Thema Endometriose bei meiner Frauenärztin ansprechen. Seit meiner Jugend leide ich an starken Blutungen und Periodenschmerzen, die manchmal unerträglich sind. 

Ich fühlte mich seit einiger Zeit sehr unwohl, mir tat die Brust höllisch weh. Ich merkte, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmte. Nachdem ich das Wort Endometriose ausgesprochen hatte, kam als Antwort: “Das haben Sie nicht!“ Da wir Kinderwunsch haben, bat ich sie darum den Beta-HCG-Wert im Blut zu kontrollieren. Dabei stellte sich dann heraus, dass ich schwanger bin. Ich hatte zu der Zeit sehr starke Blutungen und sie machte mir nicht viel Hoffnungen, dass es eine intakte Schwangerschaft sei.

Zwei Wochen vergingen. Jeden zweiten Tag musste ich Blut abgeben und Ultraschall machen lassen. Leider konnte man im Ultraschall nichts sehen. Sie verwies mich an das naheliegende Krankenhaus. Da der Verdacht einer Eileiterschwangerschaft sich immer mehr verhärtete, wollten sie so schnell wie möglich operieren. Einen Tag später lag ich auf dem OP Tisch, zu der Ärztin sagt ich noch kurz vorher: „Bitte schauen Sie, ob Sie Endometriose finden.“

Nachdem ich die OP einigermaßen gut überstanden hatte, kam die Ärztin auf mich und zu und bestätigte mir den Verdacht der Eileiterschwangerschaft und den der Endometriose. Sie konnten alles entfernen.

Was hat dir im Moment der Diagnose am meisten geholfen?

Anne: Am meisten geholfen hat mir mein Freund, meine beste Freundin und meine Familie, denen ich davon erzählt habe.

Was hat dir gefehlt?

Anne: Die vernünftige Aufklärung der Ärzte. Ich weiß bis heute nicht, welches Stadium Endometriose ich habe. Es ist aus dem Histologie-Bericht nicht ersichtlich und nach mehrmaligem Nachfragen, konnte mir auch keine vernünftige Aussage gegeben werden, nur dass die Endometriose im Douglasbereich und Eileiter sitzt.

Welche Erfahrungen hast du auf dem Weg zu deiner Diagnose gemacht?

Anne: Dass man als Arzt tatsächlich auch mal über den Tellerrand schauen sollte. Seit ich die Pille abgesetzt habe, geht es mir körperlich unheimlich schlecht. Ich habe ständig Bauchschmerzen, Durchfall und den bekannten Endobelly, häufig von Übelkeit begleitet. Ich habe über die Jahre hinweg sämtliche Medikamente ausprobiert. Nichts hat wirklich geholfen. Ich habe meine Ernährung umgestellt etc. Von den Ärzten fühlte ich mich oft nicht ernst genommen. Da kamen dann Diagnosen wie Reizdarm oder Stress. Zudem musste ich auch feststellen, dass diese Krankheit wirklich nicht bekannt ist bei anderen Fachärzten.

Gab es Fehldiagnosen?

Anne: Ja die gab es, seit 2014 vermutete mein Internist, zu dem ich nun regelmäßig lief, dass ich Morbus Crohn habe. Ich hatte mehrere Magen- und Darmspiegelungen, wo auch immer kleine Entzündungen gefunden wurden, welche aber nicht 100% als Morbus Crohn diagnostiziert wurden. Im letzten Jahr hatte ich dann ein MRT, wo der Darm kontrolliert wurde. Wenn ich also Morbus Crohn hätte, würde man das dort sehen. Vorher schon hatte mir der Internist gesagt: „Gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass Sie Morbus Crohn haben.“

Wie sollte es sein, das MRT war komplett unauffällig, also Diagnose fehlgeschlagen. Dann fing ich an, mich selbst in das Thema Endometriose einzulesen. Eine Kollegin erzählte mir davon, sie hatte das selbe Problem gehabt. Und so landete ich wie oben beschrieben bei meiner Frauenärztin, die das aber sofort abtat.

Welche Therapieverfahren wendest du an?

Anne: Da ich Kinderwunsch habe, nehme ich keine Hormone. Ich nehme Schmerzmittel, Ibuprofen, Buscopan, Gaviscon und die gute alte Wärmflasche. Das hält mich über Wasser, dass ich arbeiten kann, auch wenn manche Tage wirklich grenzwertig sind.

Was wünschst du dir von der Medizin?

Anne: Dass gerade bei jungen Frauen schneller so eine Diagnose in Betracht gezogen wird. Damit der Leidensweg einfach verkürzt werden kann. Die Forschung sollte viel mehr Gewicht auf diese Erkrankung legen. Andere Fachärzte sollten über die Erkrankung vernünftig aufgeklärt und geschult werden. Es sollte Teil des Medizinstudiums sein.

Wie gehst du für dich mit der Krankheit um?

Anne: Mir hilft es tatsächlich, darüber zu sprechen. Mich nicht zu verstellen. Das habe ich jahrelang gemacht, seit ich die Diagnose habe, mache ich das nicht mehr. Wenn es mir schlecht geht, dann weiß ich woran es liegt und dazu stehe ich. Man sollte Schwäche zeigen können. Dadurch, dass ich endlich eine Diagnose habe, geht es mir besser.

Was wünschst du dir von deinen Mitmenschen im Umgang mit Betroffenen?

Anne: Ich wünsche mir mehr Toleranz von anderen, gerade von Arbeitgebern und Kollegen.

Welche Worte gegenüber Ärzten, Freunden, Familie und Fremden in Bezug auf deine Krankheit würdest du gerne mal laut aussprechen?

Anne: Tatsächlich habe ich mir im letzten Jahr angewöhnt, immer anzusprechen, was mich stört und nicht alles hinzunehmen. Natürlich ist man oft nicht unbedingt am beliebtesten, aber jeder kennt seinen Körper am besten und daher sollte man sich auch nicht alles gefallen lassen.

Ich würde den Ärzten gerne sagen: Hättet ihr doch einfach mal über den Tellerrand geschaut, euch ausgetauscht mit den anderen Ärzten, die einen betreuen.

Meiner Familie und Freunden, die vor meiner Diagnose auch geglaubt haben, dass alles nur am Stress liegt, würde ich sagen: Ich wusste es, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Fremden würde ich sagen: Lasst euch nicht gleich abwimmeln!

Welchen Rat möchtest du anderen Betroffenen geben?

Anne: Wie oben beschrieben, häufig muss man leider immer wieder beim Arzt nachfragen, auch wenn man das Gefühl hat, dass man nervt. Lieber einmal mehr untersuchen als zu wenig.

Ich würde mir auch immer eine Zweitmeinung einholen, wenn man kein gutes Gefühl hat.

Wie beeinflusst die Krankheit dein Privatleben und Berufsleben?

Anne: Im Privaten bin ich einfach sehr häufig krank, ich unternehme oft nicht viel, da ich lieber auf dem Sofa liege, wenn ich mich mal wieder nicht gut fühle. Das kann natürlich belastend sein für die Beziehung. Ich bin aber sehr dankbar, dass mein Freund einer der verständnisvollsten Menschen ist und immer hinter mir steht. Er versucht mich und die Krankheit zu verstehen und setzt mich auch nicht unter Druck. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht.

Im Berufsleben ist das schon ein wenig schwieriger, da ich mit Menschen arbeite. Ich muss trotzdem immer ein freundliches Gesicht aufsetzen, auch wenn es mir nicht gut geht. Ich versuche zu funktionieren, auch wenn ich merke, dass ich total an meine Grenzen komme. Momentan stelle ich mir auch die Frage, ob der Job, den ich ausübe auf lange Sicht noch das Richtige für mich ist.

Hast du einen bestimmten Gegenstand, ohne den du nie aus dem Haus gehst?

Anne: Ja, tatsächlich meinen kleinen Kulturbeutel mit meinen sogenannten Notfallmedikamenten.

Gibt es etwas, was du noch mit auf den Weg geben möchtest?

Anne: Ich finde die Aufklärungen die ihr und auch andere Blogger leistet wirklich toll und bin dankbar dafür. Man kann sich austauschen, Frauen kennen lernen, die auch damit leben. Gerne würde ich beruflich auch mehr in diese Richtung gehen. Ich fände es gut, wenn man auch noch auf die Komplikationen solcher Operationen eingehen würde. Vielen Dank für eure ARBEIT!

1 Kommentar zu „Annes Weg zur Endometriose-Diagnose“

  1. Danke für deinen umfassenden und ehrlichen Bericht!
    Drücke die Daumen für ein Baby!

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