Ich scherze gerne, dass ich Vollzeit-krank bin

Ella ist 23 Jahre alt, Ergotherapeutin und Studentin. Seit ungefähr einem Jahr weiß Ella, dass sie Adenomyose hat. Ihr Weg zur Diagnose war verhältnismäßig kurz. Es lagen „nur“ drei Monate zwischen Beginn der starken Symptome und der ersten Verdachtsdiagnose. Doch auch Ella hat die Erfahrung gemacht, nicht immer ernst genommen zu werden. Noch sucht sie nach einem guten Weg, mit der Krankheit umzugehen und hat mit Schmerztherapie und Osteopathie bisher gute Erfahrungen gemacht.

Ella, 23 Jahre alt, ist Ergotherapeutin und Studentin. Seit ungefähr einem Jahr hat sie die Diagnose Adenomyose. „Was für andere vielleicht die erste bedeutsame Diagnose in ihrem Leben ist, war für mich anfangs nur ein weiterer Punkt auf der Liste meiner Erkrankungen“, sagt Ella. Auf Instagram (@meandmybrain) berichtet sie schon lange vor ihrer Adenomyose-Diagnose über den Umgang mit ihren Erkrankungen. „Mit der Zeit hat sich die Adenomyose leider zu meiner „Hauptbeschäftigung“ entwickelt. Ich scherze gerne, dass ich Vollzeit-krank bin. Dennoch gebe ich alles dafür, mein Studium abzuschließen, meine Krankheiten in den Griff zu kriegen und endlich in meinem Traumberuf arbeiten zu können.“ Danke Ella, dass du uns an deiner Geschichte teilhaben lässt und so mit zur Aufklärung beiträgst.

Wann hast du deine Diagnose erhalten?

Ella: Die erste Verdachtsdiagnose auf Endometriose habe ich nur 3 Monate nach meinen ersten sehr starken Beschwerden Anfang April 2020 bekommen. Für die Bauchspiegelung habe ich mich dann im Oktober 2020 entschieden und dort wurde dann die Diagnose Endometriose ausgeschlossen, dafür aber Adenomyose diagnostiziert.

Was hat dir im Moment deiner Diagnose am meisten geholfen? Was hat dir gefehlt?

Ella: Geholfen hat mir, dass ich bereits eine gute Freundin hatte, die die Erkrankung hat und wo ich wusste, dass ich mich jederzeit an sie wenden kann. Außerdem hat mir sehr geholfen, dass meine Frauenärztin mir direkt eine Therapieoption mit einer auf Endometriose zugeschnittenen Pille angeboten hat und mir positive Aussichten gemacht hat. Dass ich schon mal von Endometriose gehört und gelesen hatte, war sicherlich auch hilfreich.

Ich glaube was mir gefehlt hat war dennoch eine genauere Aufklärung von Seiten meiner Ärztin wie ich am besten vorgehen soll, was auf mich zukommen kann und welche alternativen Behandlungen vielleicht hilfreich sein könnten.

Welche Erfahrungen hast du auf deinem Weg zur Diagnose gemacht?

Ella: Mein Weg zur Diagnose war schon fast außergewöhnlich kurz würde ich sagen, mit 3 Monaten zwischen Beginn der starken Symptome und der ersten Verdachtsdiagnose, deswegen gibt es da kaum etwas zu berichten. Allerdings hatte auch ich leider eine negative Erfahrung mit meiner damaligen Frauenärztin, die mich nicht ernst genommen hat, als ich vor Schmerzen weinend vor ihr saß und von meinem offensichtlichen Schmerzmittelmissbrauch deswegen berichtet habe. Daraus habe ich gelernt und das auch für meinen Weiteren Weg mitgenommen. Sobald ich mich nicht vollkommen ernst genommen fühle, suche ich mir einen anderen Weg.

Eine für mich sehr wichtige Erfahrung auf dem Weg zu meiner Diagnose, also in der Zeit bis zur Bauchspiegelung war der Austausch auf Instagram. Sich mit Menschen zu unterhalten, die das, was mir bevorstand, schon hinter sich hatten, oder ihre Erfahrungsberichte zu lesen war Gold wert. So habe ich mich schnell an ein Endometriosezentrum gewendet und wurde von erfahrenen Ärzt*innen operiert. Außerdem habe ich dadurch nette und liebeswürdige Menschen kennengelernt mit denen ich nach wie vor befreundet bin und/oder in Kontakt stehe.

Gab es Fehldiagnosen?

Ella: Nicht wirklich, erst waren sich alle sicher, dass ich auch Endometriose im Bauch habe, was sich dann nicht bestätigt hat, aber das war es auch schon an Fehldiagnosen. Ich glaube da hatte ich echt Glück!

Welche Therapieverfahren wendest du an?

Ella: Aktuell gehe ich regelmäßig zur ärztlichen Schmerztherapie und erhalte dort zweimal wöchentlich Schmerzinfusionen. An hormoneller Behandlung habe ich zwei Pillen ausprobiert und habe jetzt vor zwei Tagen die Spirale eingesetzt bekommen. Darüber hinaus gehe ich ungefähr einmal im Monat zur Osteopathie. Physiotherapie habe ich auch einmal ausprobiert.

Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Ella: Für mich sind die Infusionen ein „LifeChanger“ in Bezug auf meine chronischen Schmerzen und auch die Fatigue. Ich habe im Alltag kaum noch Schmerzen und an den Tagen, wo ich die Infusion kriege, habe ich oft auch viel mehr Energie. Außerdem haben wir bei der Schmerztherapie eine für mich passende Schmerzmedikation gefunden, die ich bei Bedarf einnehmen kann. Dadurch habe ich keine Angst mehr vor Tagen mit starken Schmerzen.

Beide Pillen, die ich ausprobiert habe, hatten mir persönlich zu viele Nebenwirkungen, die ich langfristig unangenehmer fand als Schmerzen und noch mehr wollte ich nicht ausprobieren. Weil bei Adenomyose aber zu einer hormonellen Behandlung geraten wird, um Endometriose zu verhindern, habe ich mir jetzt die Spirale legen lassen. Wie und ob sie bei mir wirkt, kann ich nach der kurzen Zeit natürlich noch nicht beurteilen.

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Urogynäkologische Osteopathie: Lies unser Interview mit Osteopathin Linda Schendel.

Die Osteopathie tut mir unheimlich gut. Ich habe eine tolle Osteopathin, die sehr sanft behandelt und dadurch entspannt mein Unterleib für eine Weile immer richtig gut. Außerdem sind die Einheiten für mich auch immer eine Art persönliche Auszeit. Ich habe dann eine Stunde in der ich quasi verwöhnt werde und mein Körper wird dabei gleichzeitig zur Selbstheilung angeregt. Meine Erfahrung mit Physiotherapie ist schwierig zu beschreiben. Einerseits tat es mir auch hier gut, ähnlich wie bei der Osteopathie den Fokus für ein paar Minuten mal nur auf mich und meinen Körper zu legen, andererseits bedeutet für mich jeder Termin zusätzlich Anstrengung und weniger Energie im Alltag und ich konnte bisher nicht feststellen, dass mir die Physiotherapie mehr Zugewinn bringt. Vielleicht habe ich aber auch noch nicht die richtige Therapeut*in gefunden.

Was wünscht du dir von der Medizin?

Ella: In Bezug auf die Adenomyose wünsche ich mir besonders mehr Forschung. Mit der Diagnose habe ich leider feststellen müssen, dass die Adenomyose noch schlechter erforscht ist als die Endometriose und die ist ja schon schlecht erforscht. Dementsprechend alleine gelassen fühle ich mich von der Medizin aktuell.

Wie gehst du für dich mit der Krankheit um, hast du für dich einen besonderen Weg gefunden?

Ella: Noch habe ich keinen Weg gefunden, mit dem ich zufrieden bin. Das liegt aber auch daran, dass ich neben der Adenomyose noch einige weitere gesundheitliche Baustellen mitbringe, die mich immer wieder daran hindern bzw. mich pessimistisch stimmen. Ich glaube aktuell versuche ich dennoch so proaktiv wie möglich zu sein. Ich verlasse mich nicht auf die Hilfe oder die Aussagen von Ärzt*innen, sondern lese mich selbst ein, spreche Sachen selbst an und fordere die Hilfe, die ich möchte, einfach ein. Ich glaube ich habe gerne die Kontrolle darüber.

Was wünschst du dir von anderen Menschen im Umgang mit Betroffenen?

Ella: Ich merke immer wieder, wie sehr ich mich über ernsthaftes Interesse freue. Wenn Menschen die Krankheit wirklich verstehen wollen. Weil wenn sie das tun, fällt es ihnen auch leichter mich zu verstehen und ich traue mich offener mit meinen Problemen umzugehen.

Welche Worte in Bezug auf deine Krankheit hast du bisher runtergeschluckt, anstatt sie laut auszusprechen?

Ella: Ich erzähle häufig nicht wie schlecht es mir wirklich geht. Ich spiele meine Symptome runter, zwinge mich dazu Termine wahrzunehmen und vor allem widerspreche ich Ärzt*innen nicht. Das fällt mir am häufigsten auf. Ärzt*innen denken oft, sie wüssten alles besser als wir Patientinnen, aber tatsächlich kennen wir unseren Körper besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Das heißt ich schlucke bevormundende Aussagen von medizinischem Personal herunter, anstatt meine eigenen Erfahrungen darzustellen.

Welchen Rat möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ella: Informiert euch selbst. Oft denkt man Ärzt*innen sind für das Management der eigenen Krankheit zuständig, aber das stimmt so nicht mehr. Wir sollten informierte Patientinnen sein, die für uns, unseren Körper und unsere Rechte einstehen. Ein weiterer Rat wäre: finde Menschen, denen es ähnlich geht. Besonders an Tagen, wo man sich mal wieder nicht traut, offen und ehrlich zu seinem Umfeld zu sein, können diese Personen helfen. Denn sie verstehen wirklich, wie es dir geht und manchmal hilft einfach, dass man gehört und gesehen wird.

Wie beeinflusst die Krankheit dein Privatleben bzw. dein Berufsleben?

Ella: Die Adenomyose und meine ganzen anderen Anhängsel beeinflussen aktuell besonders mein Berufsleben. Ich bin aktuell Studentin, was das Ganze aber nochmal vereinfacht. Durch die aktuelle C-Situation bin ich zum Glück derzeit in der Lage nur von zu Hause zu arbeiten, denn mehr ginge aktuell vermutlich auch nicht. Ich bin jetzt in meinem vorletzten Semester und werde ab März nächsten Jahres als Ergotherapeutin arbeiten. Bei dem Gedanken daran kriege ich regelmäßig Zukunftsängste. Durch die Adenomyose hat sich bei mir besonders die Fatigue/Erschöpfung nochmal verschlimmert, was dazu führt, dass ich aktuell maximal in der Lage bin, 20h pro Woche zu arbeiten. Selbst wenn ich mehr arbeiten würde, denke ich, dass ich dann mit meinen Schmerzen an meine Grenzen kommen würde. Zuletzt in dem Beruf gearbeitet habe ich während meines letzten berufsqualifizierenden Praktikums im letzten Herbst. Nach zwei Wochen Vollzeit musste ich meine Stunden halbieren und selbst danach sah mein Privatleben mau aus, weil ich mich von der Arbeit schon sehr viel erholen musste. Mit gerade mal 23 Jahren, mitten im Studium, vor dem Punkt zu stehen, dass man vielleicht niemals Vollzeit wird arbeiten können, ist sehr frustrierend. Andererseits habe ich noch ein paar Monate und hoffe, dass sich mein Zustand bis dahin zumindest etwas stabilisiert. Das erste Jahr der Diagnose ist irgendwie noch sehr turbulent und voller Veränderungen gewesen. Mit der Zeit gewöhnt man sich da bestimmt dran und vielleicht sind meine Berufsaussichten ja auch besser als ich denke. Zumindest habe ich mir einen Beruf ausgesucht, in dem erfahrungsgemäß viel Verständnis für Erkrankungen herrscht.

Danke Ella für deine Offenheit und dass du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.

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