Der lange Weg zur Hysterektomie

Vor über 20 Jahren begann Simones Endometriose- und Adenomyoseweg mit einem schon fast klassischen Umweg, dem Verdacht auf Blinddarmentzündung. Die Jahre seit der Diagnose waren geprägt von operativen Eingriffen, sieben Operationen – darunter zwei Blasenteilresektionen und der Erkenntnis, dass die konventionelle Hormontherapie bei Simone nicht den gewünschten Erfolg bringt. Nach 20 Jahren entscheidet sich Simone für die Entfernung ihrer Gebärmutter (Hysterektomie).

Simone Möller – Betroffene und Heilpraktikerin für Endometriose & Darmgesundheit

Simone Möller vereint zwei Blickwinkel auf Endometriose & Adenomyose in sich, den der Betroffenen und den der Heilpraktikerin, die sich auf Ernährung und Darmgesundheit spezialisiert hat. In ihrer Praxis begleitet sie insbesondere Frauen mit Endometriose, die sich ganzheitlich unterstützen lassen möchten. Wobei ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit das Fasten ist, Simone ist ärztlich geprüfte Fastenleiterin. Dass Wissen Macht ist, ist auch Simones Credo, aus diesem Grund klärt sie auf Instagram als frau.moeller über Endometriose und einen ganzheitlichen Therapieweg auf und ist als Beraterin bei der Endometriose-Vereinigung Deutschland e. V. tätig. Fachlich gibt sie ihr Wissen als Dozentin für Frauengesundheit & Wechseljahre an der Akademie Gesundes Leben weiter.

Welche Erkrankung führte zu deiner Entscheidung eine Hysterektomie durchführen zu lassen?

Simone: Adenomyose und mehrere Myome.

Wie lang dauerte dein Entscheidungsprozess?

Simone: 20 Jahre – seit meiner Diagnose Endometriose. Damals gab es den Begriff „Adenomyose“ für die Endomemtriose der Gebärmutter noch nicht. Aber die Medizin ging zu dieser Zeit noch stark davon aus, dass eine Hysterektomie die Endometriose „heilt“. Deshalb wurde mir ziemlich zeitgleich mit der Diagnose gesagt: „Sie sollten schnell Kinder bekommen und dann die Gebärmutter rausnehmen lassen, das ist die beste Therapie gegen Endometriose.“ Ich war schockiert und habe das als völlig absurd empfunden.

Was sprach dafür, was sprach dagegen?

Simone: Zunächst war ich damals Ende 20 und ich wollte Mutter werden, aber doch nicht auf Befehl und schon gar nicht mit dem Ausblick, mir das Zentrum meiner Weiblichkeit rausnehmen zu lassen. Ich hatte schlimme Schmerzen, ja – aber gerade in diesen Phasen, in denen meine Höchstleistung darin bestand zu atmen, beschäftigte mich eine Frage immer wieder: „Wie haben es die Frauen vor 100, 200 oder gar 500 Jahren geschafft?“ Das war mein Antreiber mich intensiver mit Endometriose und mit der Erfahrungsheilkunde zu beschäftigen. Je mehr ich mich damit befasste, umso mehr wollte ich allen beweisen, dass es einen anderen Weg, anstelle der Hysterektomie, gibt.

Zu dieser Zeit sprach aus meiner Sicht alles dagegen, mir die Gebärmutter entfernen zu lassen. Es gab damals nichts, was mich überzeugt hätte es zu tun, auch nicht diese qualvollen Schmerzen.

Die Entscheidung es 20 Jahre später doch zu machen, hatte ganz neue Erkenntnisse über den Zustand meiner Gebärmutter als Grundlage. Meine Gebärmutter war mit multiplen Myomen und einer ausgeprägten Adenomyose wirklich schwer krank. Rückblickend bin war die Hysterektomie unter diesen Tatschen genau richtig – traurig war es trotzdem, weil ich leider keine eigenen Kinder bekommen habe und ich mit der Entfernung nicht nur ein Organ sondern ein ganzes Lebensmodell loslassen musste


Ich habe mich in den Wochen vor der OP oft gefragt, ob ich mit meinem Ansatz der Endometriose ganzheitlich zu begegnen, am Ende doch gescheitert bin. Aber ziemlich schnell war klar: Nein – ich war auf ganzer Linie erfolgreich. Mehr als 15 Jahren lebe ich hormonfrei in einer relativ friedlichen Co-Existenz mit einer der qualvollsten Schmerzerkrankungen, die es gibt. Ich hatte eine sehr schwere Adenomyose mit Myomen, meine Gebärmutter hat jahrelang für mich gekämpft und mit mir gelitten. Dass ich sie am Ende doch gehen lassen musste, lag unter anderem daran, dass eine umfassende Operation tief infiltrierender Endometriose an Blase und Enddarm wesentlich erschwerter gewesen wäre, hätte Gebärmutter erhaltend operiert werden müssen. 

Mein Arzt hat damals zu mir gesagt: „Ich mache diese OP nur, wenn sie bereit für die Hysterektomie sind, sonst habe ich sie in kurzer Zeit wieder auf dem Tisch und das ist nicht zu verantworten! Ich garantiere ihnen, wenn wir die Gebärmutter mit entfernen, werden sie an Lebensqualität gewinnen!“ Ich habe ihm vertraut und er hat recht behalten. Es war für mich die beste Entscheidung. 

Welche Form der Hysterektomie (supracervikale, totale, radikale) wurde bei dir durchgeführt?

Simone: Totale Hysterektomie, also der Gebärmutterhals wurde mit entfernt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein verbleibender Gebärmutterhals eine potentiell nächste Wirkungsstätte von Endometrioseherden sein könnte, war zu groß. 

Wurde die Hysterektomie mittels Bauchspiegelung also minimalinvasiv durchgeführt?

Simone: Die OP wurde minimalinvasiv roboterassistiert durchgeführt. Das hing mit der kombinierten Endometriose-OP zusammen, hier kommt der OP-Roboter inzwischen immer häufiger zum Einsatz.

Welche Sorgen, Ängste, Befürchtungen bestanden vor der Hysterektomie? Und was davon hat sich bewahrheitet? 

Simone: Ich hatte natürlich davon gehört, dass der Gebärmutterhals stehen bleiben sollte, damit sich die Organe nicht senken. Davor hatte ich wirklich Angst, aber wenn man sich damit beschäftigt, warum sich z. B. die Blase senken könnte, ist häufig ein schwacher Beckenboden im Spiel. Auch kann eine große, schwere Gebärmutter die Blase runter drückt – doch ohne Gebärmutter, entfällt dieser Punkt. Das Argument, dass Organe sich verschieben, weil die Gebärmutter raus ist, klingt eindrucksvoll. Aber ich habe mir vor Augen gehalten, dass eine gesunde Gebärmutter mit Hals ca. die Größe einer umgedrehten Birne hat. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das wirklich zu nachteilhaften Organverschiebungen führt. Ich habe mich damit beruhigt, dass mein Darm und meine Blase dann mehr Platz haben und sich damit wohler fühlen.

Was ich aber tatsächlich nicht auf dem Schirm hatte, mir auch keiner gesagt hat: Nach dieser OP war mein Beckenboden sehr desolat. Ich hatte tatsächlich mit ungewolltem Harnabgang zu kämpfen. Das hat mir große Angst gemacht. Ich wusste auch nicht, ob das von der Blasenteilresektion oder der Hysterektomie kam Eine Freundin erzählte später, dass es ihr nach ihrer Hysterektomie genauso ging. Heute ist alles wieder ok, dafür gesorgt hat u. a. ein gutes Beckenbodentraining.

Natürlich hatte ich auch Sorge, dass ich den Schritt der Hysterektomie bereue, weil mir die Chance, Kinder zu bekommen endgültig genommen wurde. Aber wenn ich heute sehe, welche Alltagsqualität ich gewonnen habe, weiß ich dass der Schritt richtig war. Für mich.

Was ist seit der Hysterektomie besser geworden, was ist schlechter geworden?

Simone: Schlechter ist nichts. Ich bin kraftvoller, habe keine monatlichen Zwangspausen mehr – was vor allem bei der Arbeit und beim Sport nervig war und ich fühle mich insgesamt freier. 

Schmerzen habe ich nur noch durch ein paar Endometrioseherde am Darm, aber wer 20 Jahre mit seiner Endometriose verbringt, der begrüßt diese Schmerzen inzwischen wie eine gute Bekannte, die einen erinnert, auch mal einen Gang runter zu schalten. Heute weiß ich, welchen Anteil meine Gebärmutter am gesamten Schmerzerleben hatte und kann es immer noch nicht fassen, was diese kleine Kämpferin jeden Monat mit mir durchgestanden hat. 

Hast du dich besonders auf die OP vorbereitet?

Simone: Ich habe mit Frauen gesprochen, die den Schritt hinter sich hatten und mit Kolleginnen aus der Physiotherapie und Osteopathie, das hat mir sehr geholfen.
Sicher hat mir aber auch mein gesamtes Fachwissen um die Erkrankung gut getan.

Was hat dir nach der OP, während des Heilungsprozesses besonders geholfen?

Simone: Ruhe und Abschalten bei einer Anschlussheilbehandlung* (AHB) in einer Rehaeinrichtung. 

(Anm. d. Red.: Eine Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine Rehabilitation, die direkt im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt stattfindet und dazu dient, die durch eine Erkrankung oder Operation verlorenen Fähigkeiten wiederzuerlangen.)

Wie lang war dein Heilungsprozess?

Simone: Der seelische Schmerz war direkt vor der OP am schlimmsten, zumal meine Anästhesistin schwanger war, das war hart. In der Reha hatte ich auch zu kämpfen, weil mir dort klar wurde, dass ich unter den Endometriosefrauen diejenige war, die keine werden wollten: Mehrfach operiert und am Ende doch ohne Kinder und Gebärmutter. Das hat sich mit der Zeit gelegt, aber es tut manchmal heute noch sehr weh.

Körperlich war ich nach 14 Tagen schon wieder gut aufgestellt, aber noch nicht belastbar. Da hat die Reha auch gut aufgepasst. Ich empfehle jeder Frau, der die Gebärmutter entfernt wird, es bis zu 8 Wochen danach wirklich ruhig angehen zu lassen. Mit meinem Kraftsport und Lauftraining bin ich ca. 6 Monate nach der OP wieder voll eingestiegen, das ging gut. 

Hat die Hysterektomie dich als Frau, deine Weiblichkeit, dein Gefühl von Weiblichkeit beeinflusst? 

Simone: Nein null. 

Wir danken Simone für ihre Zeit, Mühe & Offenheit.

Portrait Simone Möller Credit: D.Nietze Fotografie

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