„Sie sind jung und nehmen die Pille, Sie können keine Endometriose haben!“

Mit One in Ten möchte Noëlle Betroffenen so viele notwendige Informationen wie möglich bezüglich der Endometriose und möglicher Behandlungsverfahren zur Verfügung stellen und eine Plattform für den Austausch zwischen Betroffenen und Experten bieten. Noëlle erhielt Ihre Endometriose-Diagnose 2012, mit Mitte 20, nach einer Laparoskopie. Leider war drei Jahre später eine erneute Operation notwendig. Ihr persönlicher Endometriose-Wegweiser lautet: „Soviel Schulmedizin wie nötig und soviel Naturheilkunde und komplementäre Medizin wie möglich!“

Schon früh nach ihrer Diagnose begann sie sich damit auseinanderzusetzen, welche naturheilkundlichen und komplementärmedizinischen Behandlungsverfahren die konventionellen schulmedizischen Therapieverfahren der Endometriose sinnvoll ergänzen können – zu dieser Zeit machte sie ihren Bachelor in Komplementärmedizin. 2015 und 2016 führte sie, im Rahmen ihrer Masterarbeit eine deutschlandweite Querschnittstudie zur ‚Relevanz und Akzeptanz von naturheilkundlichen und komplementärmedizinischen Behandlungsverfahren bei Frauen mit Endometriose‘ durch. Für diese Forschungsarbeit wurde Noëlle 2019 der FoFöG Forschungspreis verliehen.

Was führte zu deiner Diagnose und in welchem Alter hast du sie erhalten?

Ich habe 2012, im Alter von 24 Jahren, meine Diagnose erhalten.

Starke Menstruationsbeschwerden begleiten mich seit meiner Menarche mit 12 Jahren. 2012 traten neben den starken Unterbauchschmerzen während der Menstruation, bzw. während der Abbruchblutung (zu dem Zeitpunkt nahm ich die Pille), auch Unterbauchschmerzen beim Schwimmen, Wandern, etc. auf. Diese Situation brachte mich dazu, dass ich mich an meine ehemalige Gynäkologin gewendet habe.

Gab es Fehldiagnosen auf deinem Weg zur Diagnose?

Meine ehemalige Gynäkologin sagte mir, als ich sie aufgrund der Unterbauchschmerzen aufsuchte und sie fragte, ob Endometriose die Ursache hierfür sein kann: „Sie sind jung und nehmen die Pille, Sie können keine Endometriose haben.“

Daraufhin wechselte ich die Gynäkologin. Ich bin froh, dass meine neue Gynäkologin meine Beschwerden ernst nahm, mein familiäres Risiko erkannte und andere Ursachen für meine Beschwerden ausschloss – Zwei Wochen später erhielt ich nach einer Bauchspiegelung meine Endometriose-Diagnose.

Was wünschst du dir von anderen Menschen im Umgang mit Betroffenen?

Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft dafür sensibilisiert wird, dass Menstruationsbeschwerden, die die Lebensqualität stark einschränken und nur mit Schmerzmitteln ertragen werden können, nicht normal sind. An diesen Punkt kommen wir jedoch erst, wenn die Menstruation nicht mehr tabuisiert wird.

Die Tabuisierung der Menstruation hat direkten negativen Einfluss auf Krankheitsbilder wie die Endometriose & Adenomyose, die im direkten Zusammenhang mit der Menstruation stehen.

Was wünschst du dir von der Medizin?

Ich wünsche mir, dass in allen medizinischen Disziplinen, bzw. in den Disziplinen, die von der Endometriose betroffen sein können, das Bewusstsein für Endometriose & Adenomyose wächst. Denn nicht immer verursacht die Endometriose nur „gynäkologische Beschwerden“. Mit Schmerzen im unteren Rücken, die vielleicht sogar ins Bein ausstrahlen, stellen sich die Betroffenen eher beim Orthopäden vor, oder beim Internisten/Gastroenterologen, weil sie unter Reizdarm-Symptomen wie Verstopfung, Durchfall, oder Oberbauchschmerzen leiden. Die Unwissenheit bzw. das fehlende Bewusstsein für dieses komplexe Krankheitsbild birgt ein Risiko für Fehldiagnosen und auch falsche Behandlungen.

Weiter wünsche ich mir, dass sich integrative Behandlungsansätze für die Endometriose etablieren. Solange keine kausale Therapie der Endometriose möglich ist, sollte das oberste Ziel sein, den Betroffenen nebenwirkungsarme Behandlungsverfahren anzubieten, die ihre Beschwerden lindern und somit eine Verbesserung der Lebensqualität mit sich bringen.

Damit nicht genug, ich wünsche mir auch, dass die psychische Belastung, die die Endometriose hervorrufen kann, viel mehr in das Bewusstsein der Ärzte und Therapeuten rückt. Diese Erkrankung geht nicht spurlose an unserer Psyche vorbei.

Achtest du bewusst auf deine Ernährung?

Ich lebe seit 22 Jahren als Vegetarierin, nicht selten ernähre ich mich vegan. 

Während der Menstruation reduziere ich meinen Kaffeekonsum stark, denn ich habe gemerkt, dass Koffein, aber auch Alkohol meine Beschwerden deutlich verstärkt.

Generell merke ich, dass mir warme Speisen, Suppen, Currys, Eintöpfe usw. gut tun.

Weiterführende Infos zum Thema Ernährung bei Endometriose findest du in unserem Interview mit Ernährungsfachkraft Nicola und in unserer Podcast-Episode.

Welche Symptome belasten dich am meisten?

Aktuell treibt mich eine Zyste am linken Eierstock sehr an meine Grenzen, die Schmerzen vor allem während der Menstruation, strecken mich nieder.

Die größte Herausforderung, vor die dich die Endometriose gestellt hat?

Sanft zu mir selbst zu sein und zu akzeptieren, dass ich nicht immer Vollgas geben kann.

Mit welchen Therapieverfahren hast du besonders positive Erfahrungen gemacht?

Drei komplementärmedizinische Behandlungsverfahren begleiten mich seit meiner Diagnose, auch in den Phasen der Hormontherapie und vor und nach Operationen.

Die TCM (hier auch das SART Verfahren von Frau Dr. med. Schweizer-Arau), die Osteopathie und die orthomolekulare Medizin. Wobei die TCM und Osteopathie bei mir die eindrücklichsten Verbesserungen von Schmerzsituationen bringen.

Welchen Einfluss hat deine Ausbildung auf deine Wahl der Therapieverfahren?

Ich würde behaupten, dass mein Studium großen Einfluss auf die Wahl ‚meiner‘ Therapieverfahren hat. So lautet die Wegbeschreibung meines Endometriose-Weges: „So viel Schulmedizin wie nötig und so viel Naturheilkunde und komplementäre Medizin wie möglich.“

Bei meinen behandelnden Ärzten und Therapeuten ist es mir wichtig, dass sie offen für einen integrativen Behandlungsansatz der Endometriose sind und mich auf diesem Weg begleiten.

Wobei ich sicherlich keine einfache Patientin bin, da ich alles sehr kritisch hinterfrage und klar weiß, was ich nicht möchte.

Wie würdest du Endometriose in einem Bild beschreiben?

Ich habe kein Bild, das die Endometriose beschreiben würde. Es sind eher Gefühle und Emotionen, wie Verzweiflung, Hilflosigkeit, Wut, Trauer, Angst.

Was würdest du anderen Betroffenen empfehlen?

Bitte lasst euch eure Beschwerden nicht ausreden, ihr habt es verdient, dass eure Beschwerden ernstgenommen werden und dass eure Beschwerden bestmöglich behandelt werden. Wenn ihr keine Unterstützung erfahrt, wechselt eure Ärzte und/ oder Therapeuten. Mein zweiter Rat ist, dass ihr euch, vor allem wenn große Operationen im Raum stehen, eine zweite Meinung einholt. Mir hat die zweite Meinung meine Gebärmutter gerettet.

Hast du einen bestimmten Gegenstand (Wärmflasche etc.) ohne den du nie aus dem Haus gehen würdest?

Ich habe immer Schmerzmittel und ein Roll-on mit Lavendel-Öl bei mir.

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2 Kommentare zu „Erfahrungsbericht Noëlle“

  1. Endometriose ist wirklich sehr belastend, das habe ich bei meiner besten Freundin mitbekommen, die hat sehr unter den Schmerzen gelitten. Ihre erste Gynäkologin hat sie nicht so richtig ernst genommen und ihr mal eine Pille verschrieben, welche die Menstruation ausfallen lässt. Trotzdem hatte meine Freundin immer wieder starke Schmerzen, bis sie die Pille abgesetzt, sich an einen neuen Arzt gewendet und der ihr Endometriose diagnostiziert hat. Sie wurde operiert und danach ging es ihr wieder gut. Die Angst vor Unfruchtbarkeit hat sie aber psychisch sehr belastet. Sie tat mir damals so leid, ich kann ja nur erahnen, was Frauen mit diesem Leiden durchmachen müssen… Grundsätzlich finde ich die Einstellung von Noelle gut: So viel Schulmedizin wie nötig und so viel Komplementärmedizinisches wie möglich. Meine Persönlichen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass eine ergänzende Behandlung mit Homöopathie bei meiner Migräne sehr geholfen hat. Wenn die Kopfschmerzen ins unerträgliche gingen, kam ich um eine Schmerztablette nicht herum. Inzwischen komme ich fast nie in diese Situation, seitdem ich bei einer Ärztin bin, die mit Homöopathie arbeitet.

  2. Danke Noëlle!

    Es ist so wichtig, dass Frauen speziell wenn wir noch nicht fit genug sind in der Debatte mit Ärzten, unser Bauchgefühl vertreten – im wahrsten Sinne des Wortes bei Endometriose. Ich habe sehr gute Erfahrung mit der Unterstützung mit Homöopathie gemacht. Darüber gibt es sogar Studien von Dr. Jens Behnke, siehe seine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, welche die Wirksamkeit von potenziertem Östrogen bei Patientinnen untersuchte. Zusätzlich half ein Extrakt von japanischem Grüntee. Wobei ich darauf achten musste, dass es zeitlichen Abstand bei der Einnahme dieser Arzneimittel gab. Die Schmerzen ließen darauf hin innerhalb kurzer Zeit nach. Ich denke, die Begleitung durch den erfahrenen Arzt ist sehr wichtig, es gibt aus der Komplementärmedizin einfach gute Erfolge. Die Schmerzreduktion hat mir jedenfalls die Lebensqualität zurück gegeben

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