Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor im Interview
„Kliniken, die sich zertifiziert haben, weisen zum Einen ein klares Interesse für die Betreuung von Patientinnen mit Endometriose auf. Zum anderen wurde die Qualität der Behandlung von externen Gutachtern möglichst objektiv überprüft. Daher können Patientinnen hier eine für ihre Erkrankung spezialisierte Behandlung erwarten.“ Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor, Chefarzt für Gynäkologie & Geburtshilfe im Albertinen Krankenhaus in Hamburg-Schnelsen.

Das Albertinen Krankenhaus Hamburg verfügt über ein ‚Zertifiziertes Endometriosezentrum‘, in welchem Dr. med. Sami Shihada (Leiter d. Endometriosezentrums), zusammen mit Dr. med. Rami Shihada und Antonia Jörger Patient:innen betreut.
In unserem Interview sprechen wir mit Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor, dem Chefarzt der Gynäkologie & Geburtshilfe im Albertinen Krankenhaus, über das Gütesiegel ‚Zertifiziertes Endometriosezentrum‘ und wie Betroffene von einer Versorgung dort profitieren. Wir sprechen über die Spezialisierung des Albertinen Endometriosezentrums und Prof. Dr. med. Klapdor beantwortet die Frage, was ein Endometriosezentrum nicht leisten kann und welche Rolle die Komplementärmedizin in der idealen Nachsorge nach einer Endometriose Sanierung spielt.
Was zeichnet ein ‚Zertifiziertes Endometriosezentrum‘ aus?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Ein nach EuroEndoCert zertifiziertes Endometriosezentrum stellt die höchste Stufe der Zertifizierung dar. Hierfür werden strenge Vorgaben an Kliniken gestellt, um die höchste Qualität der Betreuung von Endometriosebetroffenen zu garantieren. Hierzu werden nicht nur die Anzahl an Operationen und Behandlungen bewertet, sondern z.B. auch die wissenschaftliche Tätigkeit der Ärztinnen und Ärzte.
(Anm. d. Red. EuroEndoCert wendet sich im Auftrag der Stiftung Endometrioseforschung (SEF) und der Europäischen Endometriose Liga (EEL) an Krankenhäuser, Arztpraxen und Rehabilitationseinrichtungen, die ihre Behandlungsabläufe für Endometriosepatientinnen zertifizieren lassen möchten. Auf der Homepage der EuroEndoCert findet sich eine Liste mit ‚Zertifizierten Kliniken und Praxen‘)
Wie profitieren Betroffene von der Versorgung in einem ‚Zertifizierten Endometriosezentrum‘?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Kliniken, die sich zertifiziert haben, weisen zum Einen ein klares Interesse für die Betreuung von Patientinnen mit Endometriose auf. Zum anderen wurde die Qualität der Behandlung von externen Gutachtern möglichst objektiv überprüft. Daher können Patientinnen hier eine für ihre Erkrankung spezialisierte Behandlung erwarten. Natürlich gibt es auch innerhalb von Endometriosezentren unterschiedlich große Kliniken und einige Zentren haben sich auf bestimmte Behandlungsformen spezialisiert. So liegt z.B. unser Schwerpunkt in der Behandlung der tiefinfiltrierenden Endometriose von Darm, Blase oder Harnleiter und Endometriose mit Nervenbeteiligung. Wir haben bei uns auch den Schwerpunkt der Neuropelveologie etabliert.
(Anm. d. Red. Neuropelveologie: befasst sich mit der Diagnostik & Behandlung von Beckenvenenstörungen)
Betreut das Endometriosezentrum im Albertinen Krankenhaus Betroffene „nur“ im Rahmen einer OP oder auch darüber hinaus – bei Hormontherapie und/oder Schmerztherapie?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Alle Betroffene erhalten bei uns eine ausführliche Diagnostik und Beratung. In unserer Sprechstunde hat der Ultraschall einen sehr hohen Stellenwert. Hierüber können wir tiefinfiltrierende Endometriose sehr genau diagnostizieren und dann einen individuellen Behandlungsplan erstellen. Dabei stellt die Operation einen Behandlungsweg dar. In den meisten Fällen empfehlen wir aber vorerst eine medikamentöse Behandlung. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, einen individuell maßgeschneiderten Plan zu erstellen. Hierbei arbeiten wir eng mit unseren Kooperationspartnern (Kinderwunschzentren, Osteopathie, Akupunktur, Ernährungsmedizin, Schmerztherapie) zusammen. Wenn eine Operation erforderlich ist, erfolgt diese bei uns minimalinvasiv. Hierbei kann die höchste Präzision erreicht werden, sodass Endometriose gezielt entfernt werden kann unter Schonung von Nerven und umliegenden Organen.
Was kann eine Endometriosezentrum nicht leisten?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Es ist ein große Herausforderung für die an Anzahl noch begrenzten Endometriosezentren alle Betroffene mit Endometriose zeitnah betreuen zu können. Teilweise bestehen hier Wartezeiten von über einem Jahr. Wir sind sehr bemüht eine große Anzahl von Sprechstunden anzubieten, um eine zeitnahe Betreuung zu ermöglichen. Ein medikamentöser Behandlungsversuch sollte aber idealerweise schon vor dem Besuch im Endometriosezentrum erfolgen. Dann kann die Beratung hier noch zielgerichteter erfolgen und idealerweise beginnt so die erfolgreiche Behandlung schon deutlich früher, was einer Chronifizierung der Beschwerden entgegen wirkt.
Wie sieht die ideale Nachsorge nach einer Endometriose Sanierung aus?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Im Endometriosezentrum sollte ein gemeinsamer Plan mit der Betroffenen gemacht werden. Sehr wertvoll ist eine Anschlussheilbehandlung direkt nach der Operation. Weiterhin kann eine medikamentöse Behandlung nach einer Operation die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederkehr der Beschwerden deutlich senken. Eine große Herausforderung bei der Behandlung der Endometriose besteht darin, dass diese über viele Jahre zu chronischen Begleitbeschwerden führen kann, wie Verspannungen in Beckenboden oder Rücken und chronische Schmerzen. Daher kann der Operationserfolg über ein gute Begleitung durch Osteopathie, Physiotherapie, TCM oder Schmerztherapie verbessert werden. Wir nennen dieses Konzept die multimodale Therapie. Zudem profitieren Betroffene von einer engen Anbindung an ein Kinderwunschzentrum, sofern Kinderwunsch besteht.
(Anm. d. Red. Eine Liste mit auf Endometriose spezialisierten Reha-Einrichtungen für eine Anschlussheilbehandlung (AHB) oder Rehabilitationsmaßnahmen findet sich hier.)
Endometriose kann zu unerfülltem Kinderwunsch führen, welche Behandlungsmöglichkeiten bietet Ihr Zentrum für operative Reproduktionsmedizin?
Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor: Die exakte Diagnose einer Endometriose kann helfen, die beste Behandlungsstrategie zu wählen, die operativ oder nicht operativ sein kann. Es gibt viele Situationen, in denen eine Operation die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden erhöhen kann. So wissen wir, dass die Entfernung von Endometriose die Chancen deutlich verbessert, spontan schwanger zu werden. Auch deuten einige Untersuchungen darauf hin, dass die Entfernung von Endometriose auch bei einer IVF-Behandlung helfen kann. Dieses betrifft insbesondere die tiefinfiltrierende Endometriose. Zudem gibt es Möglichkeiten über eine Gebärmutterspiegelung oder eine Bauchspiegelung gezielt Adenomyose zu entfernen. Dieses kann ein entscheidender Schritt sein, um die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter zu unterstützen. So habe ich gerade diese Woche einen Kaiserschnitt bei einer Betroffenen durchgeführt, bei der wir im letzten Jahr eine Entfernung der Adenomyosis nach zahlreichen vergeblichen Kinderwunschbehanldungen durchgeführt hatten. Die Operation ist nicht immer die einzige Lösung, aber sie kann in einigen Fällen einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung leisten.
Wir danken Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor für Seine Zeit, Wissen & Mühe.
Am 13. September 2025 lädt das Endometriosezentrum im Albertinen Krankenhaus zum ‚Zweiten Hamburger Endometriosetag‘ ein.
Von 11.00 bis 17.00 Uhr dreht sich an diesem Tag alles darum ‚Endometriose zu verstehen und zu behandeln‘.
Es finden Fachvorträge von Expert:innen aus Gynäkologie, Schmerzmedizin, Ernährung und Psychologie statt. Es gibt aktuelle Infos zu Diagnostik und Therapie von Endometriose. Und als Highlight gibt es dieses Jahr interaktive Workshops zu: Ernährung, TCM, Osteopathie, Schmerztherapie & Beckenboden.
Die Teilnahme ist kostenlos und sowohl vor Ort als auch online möglich.
Die Anmeldung zum ‚Zweiten Hamburger Endometriosetag‘ am 13.09.2025 ist hier möglich.
Das Endometriosezentrum des Albertinen Krankenhaus ist auf Instagram vertreten und informiert dort Betroffene & Interessierte.
Bild 1 © Prof. Dr. med. Rüdiger Klapdor, Albertinen Krankenhaus Hamburg
