Hysterektomie und ihr Einfluss auf die Beckengesundheit
Die Hysterektomie, die Entfernung der Gebärmutter zählt zu den häufigsten gynäkologischen Eingriffen weltweit, sie stellt die radikalste Therapie der Adenomyose dar. Sehr gute Gründe für uns um mit Yasmeen Klinglmair, Physiotherapeutin & Beckenbodentherapeutin, über die Hysterektomie, ihren Einfluss auf die Beckengesundheit und den Beckenboden selbst zu sprechen. Yasmeen Klinglmair liegt Beckengesundheit ganz besonders am Herzen, sie unterstützt Frauen auf ihrem Weg hin zu einer ‚gesunden Mitte‘.

Welchen Einfluss kann eine Hysterektomie auf die Beckengesundheit/ den Beckenboden haben?
Yasmeen Klinglmair: Eine Hysterektomie (kurz: HE) hat in der Regel immer Auswirkungen auf die Beckengesundheit und den Beckenboden, da der Uterus eine zentrale Rolle im Becken und unter den Beckenorganen hat. Je nachdem wie stark die Symptome und Beschwerden vor der Hysterektomie waren, werden die Auswirkungen deutlicher, kaum verändert oder verbessert wahrgenommen. Oft sind Patient:innen aber überrascht, wie global sich der Eingriff auf den Körper auswirken kann und wie wenig man im Voraus darüber erfährt. Aber warum?
Durch die Hysterektomie entsteht eine Veränderung der Beckenstatik und Stabilität. Die Gebärmutter ist Teil des Haltesystems im Becken und befindet sich zwischen Blase und Enddarm. Nach ihrer Entfernung kann es zu einer veränderten Lastenverteilung kommen, was zu einem Beckenorganprolaps (Senkung von Blase, Darm oder Scheidenstumpf) führen kann. Das Fehlen der Gebärmutter kann die Beckenbodenmuskulatur zusätzlich belasten, da der Körper immer versucht fehlende Stabilität anders auszugleichen.
Das hat dann Einfluss auf:
1. Den Beckenbodenmuskeltonus
Manche Frauen erleben nach einer Hysterektomie vermehrte Spannung im Beckenboden, da der Beckenboden die muskuläre Stabilisation des Beckens übernimmt. Insbesondere wenn die Bänder, die die Organe stützen, durchtrennt wurden, versucht der Körper sich die Stabilisation so gut es geht durch andere Strukturen aufrecht zu halten. Häufig haben Patient:innen Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) oder ein erhöhtes Druckgefühl im Becken, sowie Bewegungseinschränkungen im Hüftbereich, wenn die Spannung des Beckenbodens dauerhaft erhöht ist.
Der Irrtum ist, dass ein fester Beckenboden auch ein starker Beckenboden ist.
Yasmeen Klinglmair
2. Blasen- und Darmfunktion
Blasenbeschwerden wie häufigerer Harndrang, Inkontinenz oder eine erschwerte Blasenentleerung sind nicht selten. Der Darm kann ebenfalls betroffen sein, beispielsweise durch Verstopfung oder veränderte Stuhlgewohnheiten, insbesondere wenn der Eingriff Einfluss auf die Nervenversorgung hatte, oder Narben im Bauchraum hinterlässt. Adhäsionen (Verwachsungen), können auch durch minimalinvasive Eingriffe entstehen und sind bildgebend sehr schlecht darstellbar. Es ist empfehlenswert schon vor dem Eingriff ein „Blasen – und Darmtagebuch“ zu führen, damit man Veränderungen nicht übersieht, oder als normal abstempelt.
3. Den Hormonhaushalt (bei Entfernung der Eierstöcke)
Wenn die Eierstöcke mit entfernt werden, sinkt der Östrogenspiegel abrupt. Hormone haben einen unfassbar großen Einfluss auf unser ganzes Körpersystem. Ein Östrogenmangel kann zu einer schwächeren Gewebestruktur, Trockenheit der Schleimhäute, Schlafstörungen, hormonmangelbedingter Atrophie des Geschlechts und Harnwege und einer Verringerung der Muskelspannung im Beckenbereich führen. Diese Liste könnte man bestimmt noch um ein paar Punkte ergänzen. Auch wenn die Eierstöcke erhalten bleiben, kann die hormonelle Versorgung beeinflusst sein, was langfristig die Beckenbodenstruktur beeinträchtigen kann.
4. Das Körpergefühl und die Psyche
Ein Punkt, der leider immer zu kurz kommt. Viele Frauen berichten von einem veränderten Körpergefühl nach der Hysterektomie, was oft auch in der medizinischen Nachversorgung übergangen wird. Der Satz „Aber es sieht alles gut aus.“, oder „Aber es ist ja jetzt alles gut gegangen.“, hören viele Betroffene immer wieder. Emotionale Faktoren spielen eine wichtige Rolle und es ist essenziell darüber zu sprechen. Viele nehmen die Entfernung der Gebärmutter als Verlust der eigenen Identität oder der reproduktiven Fähigkeit war. Die Gründe für eine Hysterektomie, das persönliche Umfeld, die Unterstützung sowie die Betreuung durch das medizinische System beeinflussen maßgeblich, wie gut sich Patient:innen verstanden, informiert und begleitet fühlen. Heilung und Rehabilitation des Körpers kann und soll man nicht von der emotionalen Komponente trennen.
Hat das gewählte OP-Verfahren (abdominale HE, laparoskopische HE, vaginale HE) Einfluss auf den Beckenboden?
Yasmeen Klinglmair: Die Art des Eingriffs (teilweise, vollständige oder radikale Entfernung, mit oder ohne Erhalt der Eierstöcke) spielt eine Rolle, ebenso aber auch die Voraussetzungen mit der die Patient:innen in so eine Operation reingehen. Warum ist eine Hysterektomie geplant und wurden bereits präventive, operationsvorbereitende Maßnahmen wie Physiotherapie/ Osteopathie / funktionelles Training durchgeführt? Patient:innen, die starke Beschwerden vor der Hysterektomie hatten, können den Eingriff durchaus als Erleichterung empfinden.
Der Zugang bei der Abdominalen Hysterektomie erfolgtdurch einen Bauchschnitt. Eine höhere Gewebe- und Narbenentstehungist möglich. Die Bauchmuskulatur wird durchtrennt oder gedehnt, was die Rumpfstabilität beeinträchtigen kann. Dadurch kann ein erhöhtes Risiko für eine Beckenbodenschwäche entstehen, da die Bauchmuskulatur vorübergehend geschwächt ist und die Stützfunktion für den Beckenboden beeinträchtigt ist.
Der Zugang bei der Laparoskopischen Hysterektomie erfolgt minimalinvasiv über kleine Schnitte in der Bauchdecke. Grundsätzlich ist der Vorgang schonender als die abdominale Methode, da weniger Gewebe verletzt wird und somit weniger Narbengewebe entsteht. Es besteht ein geringeres Risiko für eine Beckenbodenschwäche, da die Bauchmuskulatur weniger beeinträchtigt wird, allerdings kann der pneumoperitoneale Druck (das Einbringen von Gas in den Bauchraum zur besseren Sicht) kurzfristig die Beckenbodenmuskulatur beeinflussen.
Der Zugang bei der Vaginalen Hysterektomie erfolgtdurch die Vagina, ohne Bauchschnitt. Dadurch bleibt die Bauchmuskulatur intakt, was die Rumpfstabilität schont. Das Verfahren ist jedoch eine höhere Belastung für den Beckenboden als bei den abdominellen Verfahren, da das Gewebe um die Scheide gedehnt wird. Dies kann das Risiko für Senkungsprobleme erhöhen, insbesondere wenn bereits eine Beckenbodenschwäche besteht.
Welches OP-Verfahren das Beste ist, muss man unbedingt individuell und immer mit seinem Chirurgen und Facharzt besprechen. Nicht immer stimmen persönliche Wünsche mit körperlichen Voraussetzungen überein. Ebenso ist nicht gesagt, dass überhaupt negative Folgen auftreten müssen. Wie bei jedem Eingriff ist es ein „alles kann, nichts muss“-Prinzip. Daher sind präventive Maßnahmen und gute Aufklärung immer eine Grundvoraussetzung für eine optimale Nachsorge und Heilung.
Welche Symptome weisen auf eine Dysbalance/ein Problem mit dem Beckenboden hin?
Yasmeen Klinglmair: Die Frage aller Fragen: Wann ist es denn wirklich der Beckenboden und wann ist der Beckenboden nur eine Begleiterscheinung? Grundsätzlich sind Symptome immer Hinweise und es sollte immer Ursachenforschung betrieben werden. Schnell wird von Stärke oder Schwäche des Beckenbodens gesprochen. Unabhängig von der Kraft ist aber vor allem die Mobilität und die Funktionalität der Muskulatur entscheidend.
Allgemeine Symptome bei Beckenboden-Dysbalancen sind:
- Instabilitätsgefühl oder Schwäche in der Körpermitte (Rumpf und Becken).
- Fehlhaltungen und Schmerzen im Hüftbereich, sowie unterem Rücken durch kompensatorische Muster. Der Körper versucht generell immer einen Ausgleich zu finden.
- Spannungsgefühle in den Adduktoren, also den inneren Oberschenkeln, da durch Aktivierung von umliegender Muskulatur das Gefühl entsteht, mehr Unterstützung und Kontrolle zu haben. Ähnlich wenn man beim nießen Urin verliert – häufige Reaktion ist das Zusammenpressen der Oberschenkel.
- Veränderte, abgeflachte Atmung. Der Beckenboden arbeitet stark mit dem Zwerchfell zusammen. Kann diese Zusammenarbeit nicht mehr gut stattfinden, wird sich die Atmung anpassen.
Spezifische Anzeichen können außerdem sein:
Chronische Schmerzen im Beckenbereich, unteren Rücken oder Kreuzbein
- Erhöhter Muskeltonus im gesamten Beckenbereich (fühlt sich an wie eine innere Anspannung oder Blockade)
- Druckgefühl oder Fremdkörpergefühl im Becken- oder Dammbereich, oft verstärkt nach langem Stehen oder abends
- Schwierigkeiten beim Einführen von Tampons oder bei gynäkologischen Untersuchungen
- Probleme beim Urinieren (schwacher Harnstrahl, unvollständige Entleerung, Harndrang ohne Blasenfüllung)
- Harninkontinenz (unfreiwilliger Urinverlust, z. B. beim Husten, Niesen oder Lachen)
- Verändertes Drangempfinden (plötzlicher, starker Harndrang)
- Stuhlinkontinenz oder erschwerte Stuhlentleerung, Schmerzen beim Stuhlgang
- Sichtbare oder spürbare Organsenkung (z. B. Blasen-, oder Darmsenkung)
- Schwaches oder vermindertes sexuelles Empfinden, oft auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)
Wo findet die betroffene Person Unterstützung?
Optimalerweise beim Facharzt und in Beckenbodenzentren. Gynäkolog:innen, Urogynäkolog:innen, Urolog:innen, sowie Proktolog:innen sind in der Regel die ersten Anlaufstellen. Eine gute Auskunft und viel Downloadmaterial gibt es auch auf der Website der Deutschen Kontinenzgesellschaft https://www.kontinenz-gesellschaft.de/fuer-patienten/. Auf den Beckenboden spezialisierte Physiotherapeut:innen, sowie Osteopath:innen und Trainer:innen sind ein Game-Changer. Beckenboden Check-ups mit Biofeedback, sowie Pessar Therapie würde ich jeder betroffenen Person uneingeschränkt empfehlen. Ein umfassendes Beschwerdebild braucht fachlich adäquate und ganzheitliche Betreuung. Im Raum München bieten wir bei okiyas spezialisierte Leistungen für Beckenbodentherapie, sowie Check-ups mit funktionellem Ultraschall an. Weitere spezialisierte Therapeut:innen findet man über die Website der AG-GGUP https://www.ag-ggup.de/therapeutenliste/. Diese führt eine bundesweite Therapeutenliste im Bereich Gynäkologie, Urologie und Proktologie.
Was kann eine Frau nach einer HE selbst für ihre Beckengesundheit/ für ihren Beckenboden tun?
Yasmeen Klinglmair: Nach einer Hysterektomie ist es besonders wichtig, den Beckenboden und die gesamte Beckengesundheit aktiv zu unterstützen. Dabei ist jeder Heilungsverlauf anders und sollte an die jeweiligen Bedürfnisse und Voraussetzungen angepasst werden. Im besten Fall hat man vorher schon mit spezialisierten Therapeut:innen gearbeitet und kennt Atem- und Wahrnehmungsübungen für den Beckenboden. Falls nicht, sollte man spätestens nach der Operation einen Beckenbodentherapeuten aufsuchen.
Den Heilungsverlauf unterstützen kann man durch:
Vermeidung von Druck auf den Beckenboden durch schweres Heben, pressen beim Toilettengang oder dauerhaft eingesunkene Haltung.
Eigene Narbenmobilisation (nach vollständiger Wundheilung) verhindert Verklebungen im Gewebe und erhält die Elastizität.
Ballaststoffreiche Ernährung beugt Verstopfungen vor, ebenso wie ausreichende Flüssigkeit. Dies hält das Gewebe geschmeidig und unterstützt die Blasenfunktion.
Bewusstes Stressmanagement (z. B. Meditation) kann helfen, Verspannungen insgesamt und demnach auch im Beckenboden zu reduzieren.
Man braucht Geduld und Selbstfürsorge, denn der Heilungsprozess braucht Zeit – es ist normal, dass sich der Körper verändert. Mitgefühl für sich selbst und Geduld sind genauso wichtig wie körperliche Übungen.
Yasmeen Klinglmair
Wir danken Yasmeen für ihre Zeit und Mühe. Für Rückfragen steht Yasmeen Klinglmair sehr gerne zur Verfügung.