nicht die regel“ – ein Dokumentarfilm, der das Thema Endometriose mehr ins gesellschaftliche Bewusstsein holt

„nicht die regel“ ist ein Filmprojekt von acht Frauen, die von dieser chronischen Erkrankung betroffen sind. „nicht die regel“ zeigt drei Frauen, die über ihr Leben mit Endometriose erzählen, über ihre Beschwerden, langen Diagnosewegen, Therapien und Operationen. Dabei thematisiert der Film auch die fünf weit verbreitetsten Mythen in Bezug auf Endometriose und lässt zahlreiche Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachbereichen zu Wort kommen. Wir haben mit Initiatorin und Produzentin Ranya Schauenstein über das Filmprojekt und ihre persönliche Erfahrung mit der Krankheit Endometriose gesprochen. 

Interview mit Filmproduzentin Ranya Schauenstein über ihre Erfahrung mit Endometriose

Ranya Schauenstein hat Endometriose. Ihre Diagnose erhielt sie, wie so viele Betroffene, per Zufall. Ranya war 25 Jahre und hatte einen regulären Termin bei ihrer damaligen Gynäkologin. Die Ärztin entdeckte beim Ultraschall eine Endometriose-Zyste am Eierstock, die wegen dem dunklen geronnenen Blut auch Schokoladenzyste genannt wird. Daraufhin wurde ihr nahegelegt, zu einem weiteren Arzt zu gehen und sich operieren zu lassen. Sie sagt: „Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass meine Beschwerden mit Endometriose zusammenhängen.“ Danke Ranya, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns über dein Filmprojekt und deine persönliche Geschichte zu sprechen.

Wie viel Zeit ist zwischen deinen ersten Symptomen und deiner Diagnose vergangen? Gab es Fehldiagnose auf diesem Weg?

Ranya: Die ersten, für mich nachvollziehbaren, Symptome hatte ich 2011. Die Verdachtsdiagnose erhielt ich 2014 und Anfang 2015 fand die Laparoskopie statt. Ich hatte anfangs sporadisch und dann 2014 immer regelmäßiger und häufiger Schmerzen während der Menstruation. Wenige Monate vor der Verdachtsdiagnose und bis zur OP so stark, dass ich mich teilweise nicht mehr bewegen konnte und/oder mich übergeben musste. Ich hatte Verdauungsbeschwerden und war deshalb beim Arzt und im Labor, aber es wurde nie etwas festgestellt.

2011 war ich das erste und letzte Mal in der Ambulanz, da ich für mich bis dahin unbekannte extreme Schmerzen im Rücken hatte. Ich wurde aber rasch wieder heimgeschickt, da ich “einfach nur Regelschmerzen” hatte. Für eine Weile war etwas Ruhe und dann ging es Anfang 2014 wieder los…

Welche Symptome belasten dich am meisten?

Ranya: Ich bin derzeit zum zweiten Mal schwanger, deswegen habe ich (zum Glück) keine Beschwerden. Ich weiß, dass es auch anders sein kann. Aber davor – sowohl vor der OP und auch danach – hat mich die Ungewissheit, wann und in welcher Intensität die Schmerzen auftreten können und werden, sehr belastet. Es war auch immer unterschiedlich: Meistens war nur der erste Tag schlimm, manchmal auch schon kurz davor, danach oder während des
Eisprungs. Ausflüge, Urlaube und berufliche Reisen haben mich immer ein wenig gestresst.

Was hat dir im Moment deiner Diagnose am meisten geholfen? Was hat dir gefehlt?

Ranya: Mein verständnisvolles und mich unterstützendes Umfeld, mein Mann, meine Familie und meine Freunde waren die größte Hilfe. Aber ich habe mich von den Ärzt*innen allein gelassen gefühlt. Mir wurde bei der Visite gesagt, ich soll möglichst JETZT die Kinderplanung beginnen, sonst könnte es vielleicht nicht mehr klappen. Ich war damals noch nicht bereit und habe mich von dieser Aussage sehr stressen lassen. Mir wurden keine Nachbehandlungen oder Therapien empfohlen. Ich habe mich dann selbst informieren und kümmern müssen, habe einen Endometriose-Spezialisten gesucht, meine Ernährung geändert, Yoga begonnen und mein Leben etwas umgestellt. Erst Jahre später, im Rahmen meiner Recherchen zum Dokumentarfilm, sind mir Möglichkeiten begegnet: In Deutschland und anderen Ländern z.B. gibt es Reha Angebote für Endometriose-Patientinnen. Physiotherapie für den Beckenboden habe ich erst nach meiner Schwangerschaft in Anspruch genommen. Wäre ich schon damals zur Physiotherapie gegangen, hätte mir das wahrscheinlich viel Schmerzen erspart.

Ranya, du bist nicht nur Endometriose-Patientin, sondern auch Initiatorin und Produzentin des Films ’nicht die regel‘. Was ist dein Antrieb, einen Dokumentarfilm über Endometriose zu machen?

Ranya: Der Wunsch nach einem langen Dokumentarfilm über Endometriose ist nach meiner Operation und Diagnose immer größer geworden. Ich habe während meiner Recherchen nur kurze Fernseh-Beiträge, Blogartikel und Zeitungsberichte über Endometriose gefunden. Als ich von der US-amerikanischen Doku “Endo what?” erfahren habe, habe ich den Film sofort bestellt. Aber im deutschsprachigen Raum fehlt ein solcher Film. Nach einem weiteren guten, aber kurzen TV-Bericht über Endometriose, habe ich beschlossen, endlich aktiv zu werden und “nicht die regel” zu starten. Damals war ich in Karenz und mein Sohn war gerade einmal ein halbes Jahr alt. Ich habe über Facebook einen Aufruf gestartet und nach betroffenen Frauen gesucht, die auch in der Medienbranche tätig sind. Ein Team hat sich schnell gefunden. Wir alle haben unsere Erfahrungen mit Endometriose gemacht, teilweise sind sie sehr unterschiedlich. Aber genau das motiviert uns. Uns alle eint der Wunsch, mehr Bewusstsein für diese Erkrankung zu
schaffen und Mythen aus den Weg zu räumen.

Welchem Irrglauben in Bezug auf Endometriose bist du, vielleicht auch im Rahmen der Filmproduktion, immer wieder begegnet?

Ranya: Es kursieren viele Mythen rund um Endometriose, da es eine sehr komplexe Erkrankung ist, deren Ursache noch nicht ganz klar ist. Zudem ist Menstruation noch immer ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Das führt zu viel Halb- und Falschwissen. Der häufigste Mythos ist meiner Meinung nach: “Regelschmerzen sind normal”. Damit hängt auch zusammen, dass man glauben kann, keine Beschwerden bedeuten keine Endometriose. Tatsächlich hängt der Grad der Ausprägung aber nicht mit der Schmerzintensität zusammen.

Was glaubst du, was die größte Herausforderung für betroffene Frauen ist?

Ranya: Ich denke, die größte Herausforderung ist diese chronische Krankheit zu managen. Denn Endometriose ist so individuell und es gibt keinen vorgegeben Therapieweg, der auf alle Betroffenen zutrifft. Jede muss ihren eigenen Weg finden, mit Endometriose zurecht zu kommen. Und bei der Vielzahl an Therapie-Optionen, die aber nicht für jede Patientin gleich funktionieren, ist es anfangs sehr schwer, den Überblick zu bekommen. Das heißt für’s Erste muss man einfach ausprobieren, was dem Körper gut tut. Und dann heißt es dranbleiben, nicht aufgeben und immer wieder Neues probieren, bis eine Therapie anschlägt. Dafür braucht es viel Geduld, Energie und oft auch leider viel Geld. Endometriose ist teuer.

Wie kann man euer Filmprojekt unterstützen?

Ranya: Folgt uns auf Instagram und Facebook und teilt fleißig die Nachricht über einen Endometriose-Film in Spielfilmlänge. Und: Wir befinden uns derzeit in Vereinsgründung, um “nicht die regel” mit weiteren Maßnahmen gut zu begleiten und im deutschsprachigen Raum Aufklärungsarbeit begleitend zum Film zu leisten. Wenn der Verein steht, kann man Spenden und/oder Vereinsmitglied werden.

Was möchtest du Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ranya: Du bist nicht allein, auch wenn deine Endometriose anders sein mag, als die von anderen Betroffenen. Die Krankheit ist zwar nicht heilbar, aber ein Leben mit Endometriose bedeutet nicht gleich andauerndes Leid, Unfruchtbarkeit, künstlicher Darmausgang usw. Langsam aber doch schreitet die Wissenschaft auch auf diesem Gebiet voran. Wer weiß, vielleicht gibt es bald ein nicht-hormonelles Medikament oder eine Therapie, die an der Ursache ansetzt. Wir als Endo-Community sollten die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben. Gemeinsam können wir uns Gehör verschaffen!

Mehr über Ranya und ihr Projekt findest du auf der Website zum Film „nicht die regel“ und auf den Social-Media-Kanälen YouTube, Facebook und Instagram.

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