Gebärmutterentfernung wegen Adenomyose: Interview mit Isabel Reusser von Meine (Ex-) Gebärmutter

Nach einem langen Leidensweg ließ sich Isabel Reusser, Autorin des autobiographischen Ratgebers zur Gebärmutterentfernung: Meine (Ex-) Gebärmutter, im März 2021 die Gebärmutter entfernen. Ein paar Monate zuvor bekam Isabel die Diagnose Adenomyose. Trotz ihres abgeschlossenen Kinderwunsches war es keine leichte Entscheidung, sagt Isabel. Eine Entscheidung, die mit vielen Fragen, Ängsten und Unsicherheiten verbunden war. Daraus entstand die Idee für diesen Ratgeber. Wir durften Isabel ein paar Fragen rund um ihre Erfahrungen und zu ihrem Buch stellen.

Isabel Reusser, 42, verheiratet, Mutter von einer Tochter fast 14 und einem Sohn 11 Jahre alt, ist die Autorin des autobiographischen Ratgebers Meine (Ex-) Gebärmutter. Sie ist Diplom Kauffrau und Arbeits- und Organisationspsychologin und arbeitet Teilzeit in einer Immobilienverwaltung. Isabel litt bereits als Teenager unter starken Unterbauchschmerzen. Erst sehr viele Jahre später wurde eine Adenomyose diagnostiziert. Im März 2021 wagte Isabel den Schritt und ließ sich die Gebärmutter entfernen.

Du hast dich aufgrund einer Adenomyose-Diagnose zu einer Hysterektomie entschieden. Wie war dein Weg hin zur Adenomyose-Diagnose und danach?

Unterbauchschmerzen und starke Periodenblutungen hatte ich bereits als Teenager. Besonders war bei mir allerdings, dass ich vor allem Unterbauchschmerzen in der 2. Zyklushälfte hatte und die Schmerzen mit der Periodenblutung besser wurden. Da ich auch ohne Probleme schwanger wurde und die Schwangerschaften weitestgehend komplikationslos verliefen, wurde eine Endometriose bzw. Adenomyose lange ausgeschlossen. Erst als die Blutungen immer schlimmer wurden und ich regelmäßig Gebärmutterentzündungen bekam, wurden meine Beschwerden ernstgenommen und nicht auf Stress oder die Psyche geschoben.

Was hat dir im Moment deiner Diagnose am meisten geholfen? Was hat dir gefehlt?

Mir hat sehr geholfen, dass diese diffusen Schmerzen endlich einen Namen hatten. Ich fühlte mich nicht mehr als „Psycho“.  Das Ausmaß der Adenomyose war nur schwer zu beurteilen und die Aufklärung durch die Ärzte unzureichend. Ich war lange unsicher, was die Diagnose genau bedeutet.

Leidest du allein an Adenomyose oder auch Endometriose?

Ich habe bislang minimale Endometrioseherde, die mir aber zur Zeit keine massiven Beschwerden bereiten. Die Adenomyose war mein Hauptproblem. Ich hoffe sehr, dass sich die Endometriose nicht weiter ausbreitet.

Wie beeinflusst die Krankheit dein Privatleben bzw. dein Berufsleben?

Die Schmerzen und Gebärmutterentzündungen wurden zur großen Belastung. Ich bin mehrmals im Krankenhaus gelandet auch im Urlaub. Beim Sex hatte ich häufig Schmerzen, da meine Gebärmutter extrem druckempfindlich war, wie ständig entzündet. Langes Sitzen im Büro führte zu Rückenschmerzen und verstärktem Druck im Bauch. Besonders schlimm war aber der Blutverlust, während meiner Periode. Die letzten Jahre vor der OP musste ich an den ersten drei Tagen Inkontinenzwindeln mit Nachtbinde und Superplus Tampon tragen, um überhaupt das Haus verlassen zu können. Ich habe jeden Monat rund 400 ml Blut verloren, normal sind zwischen 50 und 80ml. Die Folge – eine Anämie und eine Störung im Blutbildungssystem mit Immunschwäche. Kurz vor der OP hatte ich noch Leukozytenwerte von 2500. Eiseninfusionen brachten keine Verbesserung mehr. Einen Wäschekorb aus dem Keller ins Obergeschoß zu tragen, wurde zur Herausforderung. Sport kaum noch möglich. Die Doppelbelastung von Familie und Beruf nicht mehr zu bewältigen.

Warum du dich jetzt für die Hysterektomie entschieden?

Ich hatte ehrlich gesagt Angst, dass der Blutverlust mich umbringt. Als Corona begann, bekam ich Panik, dass mein Immunsystem keine Chance gegen eine Infektion hat. Ich war die Monate zuvor immer häufiger krank. Angina, Brustentzündungen, Augenentzündungen, Hautekzeme – ständig Antibiotika. Irgendwann hatte ich genug und keine Lust mehr.

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„Ich finde es bei fast 100.000 OPs im Jahr erschreckend, wie wenig wir darüber sprechen. Im Vergleich finden 70.000 Brustkrebs-OPs im Jahr statt.“

Was war deine größte Sorge bzgl. der Hysterektomie?

Komplikationen während der OP, wie Verletzung der Blase oder des Darms, Auswirkungen auf meine Sexualität, Inkontinenz nach der OP.

Wie gehts dir heute damit?

Es geht mir deutlich besser. Meine Leistungsfähigkeit ist massiv gestiegen, meine Blutwerte haben sich normalisiert, die Unterbauchschmerzen sind verschwunden und ich erlebe eine entspannte und freie Sexualität. Ich kann wieder Sport treiben, bin aber mit meinem Beckenboden noch vorsichtig. Meine Blase und mein Darm brauchten etwas Zeit ihren neuen Platz zu finden. Mit Osteopathie habe ich das aber gut im Griff. Ich habe außerdem gelernt achtsamer mit mir umzugehen.

Was ist anders als erwartet?

Ich erlebe eine neue Form meiner Weiblichkeit, die mir gut gefällt. Ich hätte gedacht, dass mir der Verlust meiner Gebärmutter mehr zu schaffen macht, aber ich bin erleichtert und ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen.

Du hast nun einen autobiographischen Ratgeber über deine Hysterektomie geschrieben – warum?

In der Vorbereitung auf die OP habe ich nach Informationsmaterial gesucht, bin aber nur wenig fündig geworden. Auf der einen Seite gab es die medizinischen, sachlichen Seiten der Gynäkologen, auf der anderen Seite die Foren mit den Horrorgeschichten von Frauen. Ich wünschte mir einen seriösen Gesamtüberblick über Vorbereitung, OP und Nachsorge. Ich wollte genau wissen, was auf mich zu kommt. Ehrliche Erfahrungen ohne Drama und Angstmacherei.

Hat dir das Schreiben dabei geholfen, deine eigene medizinische Geschichte zu verarbeiten?

Ja sehr. Anfangs wollte ich die Geschichte auch nur für mich aufschreiben. Dabei habe ich meine Lust am Schreiben entdeckt und dann entwickelte sich die Idee zum Buch. Ich habe ohne Gebärmutter ein weiteres Baby geboren und eine neue Leidenschaft gefunden, die mir viel Ausgleich bringt.

Hast du das Gefühl, dass Frauen in Deutschland vollumfänglich über die Hysterektomie und ihre Folgen aufgeklärt werden?

Ich glaube, es kommt sehr auf den Arzt bzw. die Ärztin an. Grundsätzlich könnte die Aufklärung besser sein. Die Ärzte haben aber häufig auch zu wenig Zeit, sind im Stress. Gegenüber dem Arztgespräch stehen Dr. Google und die sozialen Netzwerke. Je nachdem auf welche Seiten man gerät, ergeben sich sehr unterschiedliche Meinungsbilder, die verunsichern können. Während in der Generation meiner Mutter die Gebärmutterentfernung Routine war, ist sie mittlerweile fast schon verteufelt. Es sollte der gesunde Mittelweg gefunden werden. Dafür steht auch mein Buch.

Was ist die wichtigste Message deines Buches?

Ich möchte mit meinem Buch eine Verbindung schaffen zwischen Betroffenen und Experten (Ärzten, Beckenbodentherapeuten etc.) Ich erzähle ehrlich meine Geschichte, rede über Ängste und Gefühle. Ich gebe Tipps aus meinen eigenen Erfahrungen und möchte aber gleichzeitig die Frauen ermuntern ihren eigenen Weg zu gehen. Vor allem hole ich das Thema „Gebärmutterentfernung“ aus der Tabuzone. Ich finde es bei fast 100.000 OPs im Jahr erschreckend, wie wenig wir darüber sprechen. Im Vergleich finden 70.000 Brustkrebs-OPs im Jahr statt.

Was ist dein Rat an Betroffene, die vor der Entscheidung stehen, ob sie eine Hysterektomie durchführen lassen, oder nicht?

Auf das eigene Bauchgefühl zu hören und sich nicht durch Meinungen und Ratschläge von außen unter Druck setzen zu lassen. Sich für die Entscheidung genügend Zeit nehmen und sich vollumfänglich informieren. Lieber nochmal eine Zweitmeinung einholen.

Hier gibts eine kleine Leseprobe: https://www.bod.de/buchshop/meine-ex-gebaermutter-isabel-reusser-9783755742425

Hier gehts zur Website inkl. Leseprobe und Infos zur Autorin: https://gebaermutterentfernung.com/

Instagram: https://www.instagram.com/isabel.reusser/

  • Danke, liebe Isabel für deine Zeit!

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