Medical Gaslighting scheint untrennbar verbunden zu sein mit Endometriose!

3 Ärztinnen nehmen Stellung zu möglichen Ursachen von Medical Gaslighting und geben Betroffenen Tipps.

Medical Gaslighting

Medical Gaslighting wird als Begriff dafür verwendet, wenn medizinisches Fachpersonal Beschwerden von Patient:innen abtut, herunterspielt oder die Beschwerden auf etwas anderes, beispielsweise auf eine psychische Erkrankung zurückführt. Endometriose & Medical Gaslighting scheinen untrennbar miteinander verbunden zu sein.

Vielleicht ist Endometriose sogar das allerbeste Beispiel um Medical Gaslighting zu erklären.

„Starke Regelschmerzen sind normal!“

„Stellen Sie sich nicht so an, da müssen alle Frauen durch!“

„Sie scheinen besonders empfindlich für Schmerzen zu sein!“

Um nur ein paar Klassiker zu nennen, die sehr viele Betroffene in ihrer ‚Endometriose-Karriere‘ bereits gehört haben.

Die Meinung von medizinischem Fachpersonal zum Medical Gaslighting:

Wir haben medizinisches Fachpersonal, 3 Ärztinnen, gefragt, was sie von Medical Gaslighting Betroffenen empfehlen und wo sie mögliche Ursachen sehen.

Dr. med. Anja Mutz, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit der Zusatzbezeichnung gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Sie sieht die Ursache für Medical Gaslighting hier:

Zum einen denke ich dabei an den Gender Health Gap, d.h. die geschlechterspezifische Ungleichbehandlung z.B. bei Schmerzen, die bei Frauen weniger ernst genommen werden. Zum anderen ist die Diagnose (Anm. d. Red. Diagnose Endometriose) komplex, die Therapie facettenreich und individuell. Knappe Zeitressourcen und ggf. unzureichende Erfahrung der Ärzte*innen können Gaslighting begünstigen; rechtfertigen natürlich nicht. Das stetig zunehmende öffentliche Bewusstsein für Endometriose ist großartig, die Anpassung der medizinischen Versorgungsstrukturen muss folgen. Dazu zählt neben grundsätzlich intensivierter Ausbildung der Mediziner*innen auch zum Beispiel die bislang unterschätzte Adenomyose mehr in den Fokus zu stellen.

Dr. med. Anja Mutz

Dr. med. Adak Pirmorady Sehouli, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und würde betroffenen Personen folgendes empfehlen:

Sich im Vorfeld gut vorzubereiten. Sich der Fragen bewusst zu sein, die man unbedingt beantwortet haben möchte und hier auch zu persistieren und konkret nochmals zu fragen, wenn der Arzt oder die Ärztin zu schnell darüber hinweg gehen sollte. In so einer „Vorbereitung“ kann auch ein Symptom Tagebuch erstellt werden. Das kann im Gespräch unterstützend sein und die Patientin geht in eine aktive Selbstfürsorge. Natürlich sollte das Anliegen klar und ruhig kommuniziert werden, das ist umso besser möglich, umso besser die Vorbereitung auch war. Gegebenenfalls kann eine zweite Meinung eingeholt werden. Falls das Gefühl bleibt, nicht ernst genommen zu werden, kann es sinnvoll sein, den Arzt, die Ärztin zu wechseln oder eine Patientenvertretung zur Unterstützung hinzuzuziehen.

Dr. med. Adak Pirmorady Sehouli

Dr. med. Dorothee Struck, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ärztin für Naturheilverfahren und Klinische Hypnosetherapeutin – sie sieht mögliche Ursachen für Medical Gaslighting hier:

Verschiedene Probleme, ich glaube, dass es leider immer noch viele Kollegen gibt, die zu wenig über Endometriose & Adenomyose wissen, da Endometriose als das Chamäleon unter den Frauenkrankheiten gilt, und die Beschwerden divers und untypisch sein können. Bei der Häufigkeit von Endometriose sollte aber langsam mal der Fortbildungswille bei allen ankommen, wobei wir zum nächsten Punkt kommen, dem absoluten Zeitmangel in vielen Praxen. Es ist halt leider, leider einfacher, Beschwerden vom Tisch zu wischen, wenn es ein komplexes Problem ist, als sich mit der Patientin hinzusetzen und nachzufragen und zu horchen, ob es ein medizinisches Problem gibt:

Sprechende Medizin wird so gut wie nicht in unserem System bezahlt, hörende Medizin schon gar nicht!

Dr. med. Dorothee Struck

Dr. med. Struck rät Betroffenen folgendes:

Auch wenn es schwerfällt: Nicht versuchen den anderen (Anm. d. Red. den Arzt, die Ärztin) als Gegner zu sehen oder als Feind, sondern stattdessen bei sich zu bleiben und auszudrücken, dass frau das Gefühl hat, nicht ernstgenommen zu werden, obwohl eine starke Beeinträchtigung des Alltags und des Berufslebens besteht. Freundlich fragen, ob der Kollege oder die Kollegin einen Experten für den Verdacht auf Endometriose/Adenomyose benennen kann und Verständnis ausdrücken, dass keiner heute in der Medizin alles wissen kann. (…) Wenn ich Gegenangriff will und recht haben möchte, was impliziert, dass der andere falsch liegt, dann schaffe ich eine ungute Situation. Will ich recht haben und ein Power-Struggle gewinnen – das klappt während der Sprechstunde in einer vollen Arztpraxis oder Ambulanz nicht, oder will ich eine gute Behandlung, vielleicht auch bei jemand anderem? Bin ich freundlich aber fest und stelle klar, dass ich Beschwerden habe, die mich stark beeinträchtigen und dass ich bereit wäre, auch zu einem anderen Arzt zu gehen, ist es manchmal einfacher. Ja, ich weiß, viel verlangt mit chronischer Erkrankung – aber wir sind alle Menschen und ich habe festgestellt, Menschen, die unschön handeln zeigen oft nur, wie es Ihnen geht. Auch die Ärztinnen und Ärzte in einem schwierigen Gesundheitssystem.

Dr. med. Dorothee Struck

Wir danken Dr. med. Anja Mutz, Dr. med. Adak Pirmorady Seoul und Dr. med. Dorothee Struck von Herzen für Ihre Zeit & Mühe.