9 Fragen, 9 Antworten – Medical freezing bei Endometriose
Frau Dr. med. Anja Mutz ist Gründerin des Kinderwunschzentrums am Potsdamer Platz in Berlin. Als Fachärztin für Gynäkologie mit der Zusatzbezeichnung gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin hat sie die Fragen unserer Community zum Thema Medical Freezing bei Endometriose beantwortet.
Medical freezing, also das Einfrieren von Eizellen vor einer keimzellschädigenden Behandlung (z.B. Chemotherapie), wird seit Jahren bereits in der Krebsheilkunde (Onkologie) angewendet. Immer öfter kommt Medical Freezing auch bei gutartigen Erkrankungen zur Anwendung, wie zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen oder auch bei Endometriose.
1. Kann die Entnahme nach vorheriger Vorbereitung auch bei einer Endosanierung erfolgen?
In der Regel erfolgt die Entnahme und Kryokonservierung der Eizellen (Medical freezing) und die operative Sanierung der Endometriose zweizeitig. Das Medical freezing der Eizellen sollte möglichst vor der Operation erfolgen, insbesondere wenn die Eierstöcke betroffen sind (Endometriome). Jede Operation am Eierstock führt zu einer Reduktion der Reserve von Eizellen. Studien konnten zeigen, dass mehr Eizellen heranreifen und eingefroren werden können, wenn das Medical freezing VOR der Operation vorgenommen wird.
Sollten aber starke Schmerzen im Vordergrund stehen oder die Eierstöcke durch Verwachsungen schwer erreichbar sein, so ist zuerst die sanierende OP durchzuführen.
2. Werden die Kosten von den Krankenkassen (privat und gesetzlich) bei Endometriose übernommen?
Bislang ist das Medical freezing bei Endometriose weder bei den privaten noch bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Kassenleistung. Die 2021 in Kraft getretene „Richtlinie zur Kryokonservierung….“ (Kryo- RL) regelt, dass bei Erkrankungen, deren Behandlungen keimzellschädigend sein können, die Kryokonservierung (Medical freezing) indiziert ist und von den gesetzlichen Krankenkassen die Kosten übernommen werden. Dazu zählen bevorstehende Chemo- und Strahlentherapien und auch die Entfernung der Keimdrüsen (Eierstöcke). In einigen Konstellationen lässt sich die Richtlinie ggf. auch bei der Diagnose Endometriose anwenden, zum Beispiel bei einer geplanten bevorstehenden Operation an den Keimdrüsen bei großen Endometriomen (Anm. d. Red.: Endometriome sind mit altem Blut gefüllte Pseudozysten an den Eierstöcken, die auch als Schokoladenzysten bezeichnet werden. Endometriome treten häufig zusammen mit TIE (tiefinfiltrierender Endometriose) auf.
Lasst Euch dazu individuell vor einer geplanten Operation in einem Kinderwunschzentrum beraten.
3. Wie viele Spritzen muss man sich selbst setzen?
Die ovarielle Stimulation dauert ca. 7-12 Tage und erfolgt meistens zunächst mit einer, später mit zwei Injektion täglich. Die Injektion werden subkutan, d.h. unter die Haut, appliziert.
4. Habe schon den Vertrag unterschrieben, Vorgehen für Kostenübernahme durch KK?
Sollten die Kriterien (siehe Frage 2) der Kryo- RL erfüllt sein, kann ein Antrag bei der gesetzlichen Krankenkasse gestellt werden. Dieses muss vom Gynäkologen, der die OP plant und vom Kinderwunschzentrum ausgefüllt werden.
5. Gibt es ein Höchstalter?
Je höher das Alter, desto geringer ist die ovarielle Reserve an Eizellen und auch die Qualität der Eizellen. Das bedeutet, die Chancen auf eine Schwangerschaft nach Medical freezing sinken mit zunehmendem Alter zum Zeitpunkt des Einfrierens. Eine definierte Altersgrenze gibt es nicht. Ab 35 Jahren sollte pro und contra individuell genau abgewogen werden.
6. Kann man es auch bei einem niedrigen AMH machen?
(Anm. d. Red. AMH steht für Anti-Müller-Hormon. Das AMH dient als prognostischer Marker dafür, wie es um die Eizellreserven der Frau bestellt ist.)
Je niedriger der AMH, desto weniger Eizellen werden erwartet. Die Chance auf Schwangerschaft je Eizelle liegt nur bei 8-11% und ist vor allem vom Alter der Frau zum Zeitpunkt bei Eizellenentnahme abhängig. D.h. Je jünger die Frau ist, desto größer ist ihre Chance auch bei niedrigem AMH und wenig kryokonservierten Eizellen später daraus eine Schwangerschaft zu erzielen. Eine Entscheidung kann nur individuell getroffen werden.
7. Was muss ich während der Stimulation und auch nach der Entnahme beachten?
Während der ersten Tage der ovariellen Stimulation treten kaum Nebenwirkungen auf. Am Tag der Eizellentnahme wird körperliche Schonung empfohlen. Dank moderner Medikamente geht es den meisten Frauen schon am Folgetag wieder sehr gut. Eine gute Trinkmenge (ca. 2l), Verzicht auf Nikotin, kein Extremsport und Verhütung zum Zeitpunkt des Eisprungs werden empfohlen.
8. GnRH Analoga davor sinnvoll?
(Anm. d. Red.: GnRH Analoga sind eine Form der Hormontherapie bei Endometriose)
Eine Vorbehandlung mit GnRH ist möglich, hat aber keinen Vorteil bezogen auf die Anzahl oder Qualität der Eizellen.
Anm. d. Red.: Zum Thema ‚Hormontherapie bei Endometriose und Adenomyose‚ lies unser Experteninterview mit Dr. med. Frauke Kleinsorge.
9. Wie hoch sind die Kosten für die Behandlung?
Die Kosten für Medical freezing:
Medikamente: ca. 1500 €
Behandlung und Kryo: ca. 2000 €
Wir danken Dr. med. Anja Mutz herzlich für ihre Zeit & Mühe.